Samstag, 21. Mai 2016

Gear Review: Copper Spur UL 3 von Big Agnes: Ein Zelt zum Verlieben

Big Agnes ist ein US-Hersteller von leichtem Campingequipment. In Deutschland ist nur eine kleine Auswahl des Produktsortimentes bei Globetrotter als Generalimporteur erhältlich.

Aber warum sollte man auf solche Orchideen zurückgreifen, wenn doch das Blumenfeld der Hillebergs, Vaudes, MSRs und Nigors so nahe ist?

Doch lest selbst...

Das Big Agnes Copper Spur UL 3 auf dem Campingplatz von Gällivare /Lappland. Auch wenn es auf dem Bild gerade nicht so aussieht, aber hier bläst ständig der Wind.


Über den Link oben kommt Ihr direkt auf die Produktseite des  Herstellers. Dort findet Ihr alle wichtigen Angaben zum Zelt und ein paar weitere Detailfotos. Das sparen wir uns hier. Wir wollen in diesem Post nur aus der Praxis berichten.

Das Zelt selbst haben wir uns beim Generalimporteur vor Ort gekauft. Der Verkäufer hat uns sehr davon abgeraten und auf die "viel besseren" Zelte von Hilleberg verwiesen. Wir blieben standhaft. 

Das Zelt verwendeten wir drei Wochen im sommerlichen  Nordschweden und ein paar Tage in der frühlingshaften Pfalz.

Warum haben wir uns eigentlich ein drei Personen Zelt gekauft, obwohl wir nur zu zweit sind?

Der Gedanke war folgender: Es kann - gerade in nördlichen Breitengraden - vorkommen, dass das Wetter so schlecht, also regnerisch und stürmisch ist, dass man eventuell ein oder zwei Tage im Zelt ausharren muss. Bei schlechter Sicht will kaum keiner übers Fjell wandern.

Ein zwei Personen Zelt ist zwar leichter, aber für den tagelangen Aufenthalt einfach zu klein. Ständig stößt man mit dem Partner zusammen, wenn einer sich dreht, fällt der andere von der Matte usw. Ist jetzt etwas überspitzt dargestellt, aber ein zu enges Zelt macht bei einem längeren Aufenthalt darin keinen Spaß.

Wir wollten also ausreichend Wohnraum haben. Und den bietet das Cupper Spur UL3. Hier haben zwei Leute Unmengen Platz. Im Zelt befinden sich insgesamt 8 (!) kleine Innentaschen, in denen sich Wichtiges leicht erreichbar verstauen lässt. Brillenträger können ihre Brille nachts so verstauen, dass sie nicht morgens darauf liegen.

Die Taschen ermöglichen es, dass viele Ausrüstungsgegenstände in der Höhe gelagert werden können und nicht alles auf dem Zeltboden herumliegt.

Zweitens gibt es im hohen Norden Milliarden von Moskitos. 

Bei einem zwei Personen Zelt ist für das Gepäck im Innenzelt kein Platz mehr. Benötigt man etwas aus dem Rucksack, muss man das Innenzelt etwas öffnen, seine Sachen suchen und dann das Innenzelt wieder schließen. In dieser Zeit sind erfahrungsgemäß hunderte Stechmücken ins Zelt gelangt. Es macht keinen Spaß, danach eine halbe Stunde auf Insektenjagd zu gehen, zumal es nicht ratsam ist, die Viecher ins Innenzelt-Netzmaterial zu drücken, da die Moskitoleichen mit der Zeit zu verwesen anfangen und das Schlafklima erheblich darunter leidet.

Daher musste ein Zelt her, in dessen Innenzelt  wir auch unser gesamtes Gepäck verstauen konnten.

Und für ein echtes drei Personen Zelt ist das Copper Spur wirklich sehr leicht: 1,7 kg! Mit Footprint 1,8 kg (ohne Heringe).

Das Copper Spur ist ein sogenanntes drei Jahreszeiten Zelt. 

Das bedeutet, dass die unteren zwei Drittel des Innenzeltes aus windabweisendem Nylon bestehen und nur das obere Drittel aus Moskitonetz.

Drei Jahreszeiten Zelt bedeutet aus unserer Erfahrung aber folgendes: im Frühjahr und im Herbst perfekt, im Sommer nur in sehr windigen Gebieten (Großbritannien oder eben Schweden/Norwegen), wo es nicht allzu warm wird.

Für einen mitteleuropäischen Sommer ist das Zelt eigentlich zu warm und bietet zu wenig "Durchzug".

Die Winternutzung ist ebenfalls nicht zu empfehlen, da die Konstruktion sicherlich keine Schneelasten tragen kann (ausprobiert haben wir es aber noch nicht).

Sonnenuntergang durch die geöffnete Apsis des Copper Spur


Wassersäule nur 1.200 mm.

Wir waren immer der Meinung, dass die Höhe der Wassersäule einen Anhaltspunkt für die Wasserdichte bietet.

Tut es aber nicht.

In unserer Wanderkarriere haben wir schon die unterschiedlichsten Zelte ausprobiert. In der Regel verfügten alle über eine Wassersäule von 5.000 mm aufwärts.

Aber keines davon war in irgendeiner Form wasserdichter als das Big Agnes. Auch das Copper Spur ist wasserdicht. Wir durften das schon ein paar mal ausprobieren, auch bei Stürmen.

Wozu dann überhaupt die Angabe der Wassersäule? Anscheinend sagt sie ja nichts über die Wasserdichte aus. 

Das Material

Wir wollen uns hier nicht in die technischen Details vertiefen. Das Außenzelt und der Zeltboden sind superdünn. Wenn die Sonne günstig steht, kann man sogar durchschauen. Wir hatten noch nie ein Zelt mit einer so dünnen Außenhaut. 
Das Zelt in dichtem Gestrüpp aufzubauen, ist sicherlich nicht die beste Idee. 

Das Innenzelt besteht aus einem noch dünneren windabweisenden Nylonmaterial und dem superdünnen Moskitonetz. 

Baut man das Copper Spur das erste mal auf, traut man sich gar nicht, die Reißverschlüsse zu öffnen. Alles wirkt sehr fragil. Aber es ist nicht fragil. Überhaupt nicht. Nichts ist ein- oder abgerissen, alles flutscht prima. Genauso wie bei all den anderen viel schwereren und robusteren Zelten, die wir hatten. 

Noch ein Wort zum Zeltboden. Isomatten rutschen nicht darauf herum! Halleluja! Er besteht nicht aus superleichtem Silnylon. 

Silnylon wird gerne für UL-Einwandzelte wie z.B. das Six Moon Designs Lunar Duo (hier zum Test) verwendet. Sobald das Zelt nicht auf einer absolut waagerechten Stelle aufgebaut wird, fängt die Rutschpartie an. Katastrophe! Mit Nahtdichter kann man den Zeltboden zwar bestreichen, aber ganz kann man das Rutschen nicht verhindern.

Sehr schön, dass Big Agnes trotz aller leichtgewichtigen Materialien auf den Silnylonboden verzichtet hat!

Die hellen Farben verstärken den Eindruck der Weite und Geräumigkeit im Innenzelt. Für Stealth Camping ist das natürlich nicht optimal.

Der Aufbau

Das Zelt kann jeder - selbst wenn er in seinem Leben noch nie ein Zelt gesehen hätte - in fünf Minuten problemlos aufbauen.

Innenzelt hinlegen, Gestänge reinklipsen, Außenzelt drüberwerfen, Heringe, fertig. Das Außenzelt wird mit dem Innenzelt nur über vier Schnallen im Bodenbereich des Innenzeltes verbunden. Das war's. 
Für den vollständigen Aufbau benötigt man acht Heringe. Es gibt vier zusätzliche Abspannpunkte, um das Zelt bei Sturm zu stabilisieren. Das Innenzelt ist freistehend, kann also in jeder Schutzhütte aufgebaut werden. Nur das Aussenzelt mit den Apsiden benötigt Heringe.

Für das Copper Spur haben wir uns noch einen 100 Gramm schweren Footprint besorgt. Der Hersteller sagt, das wäre ganz sinnvoll, damit der schöne Boden keine Löcher kriegt. Totaler Käse!. Auch ohne Footprint gibt es keine Löcher.

Der Footprint hat aber den Vorteil, dass man das Zelt im Regen mit dem Außenzelt zuerst aufbauen kann. Also Footprint hinlegen, Gestänge rein, Außenzelt darüber werfen, dann das Innenzelt reinhängen.

Wir halten das für eine sinnvolle Ergänzung zum Zelt, auch wenn der Preis dafür eine Unverschämtheit und Abzocke ist. Sowas gehört auf jeden Fall in die Serienausstattung des Zeltes, liebe Agnes!

Das Packmaß ist ein Witz. Innen- und Aussenzelt etwas komprimiert sind so groß wie das MLD Trailstar! Passt in jeden Rucksack.

Das Copper Spur bei der Ausübung des Jedermannsrechts in Schweden


Eigengeruch

Ja Eigengeruch! Alle bisherigen Zelte verströmten einen sehr starken Eigengeruch, der von den Materialien und den Klebern ausging. Wir haben diese Zelte erst einmal ein paar Tage aufgebaut auslüften lassen, bevor sie sie benutzt haben. 

Das Big Agnes war das erste Zelt, dass die tagelange Belüftung nicht erforderlich machte!

Das Klima im Zelt ist auf Grund der geringen Ausdünstung viel besser als in den anderen Zelten, die wir hatten. 


Ach ja, und wenn es stürmt?

Erstaunliches hat man hier bei Big Agnes kreiert. 
Wir hatten noch nie ein Zelt, dass bei Wind und Sturm so ruhig stand!

Bei allen unseren Zelten flatterte immer irgend etwas im Wind. Wie ist das bei Euch? Könnt ihr dann schlafen, wenn es überall scheppert und flattert? Wir nicht. Da kamen die Ohropaxe gerade recht. Ist natürlich auch nicht erbaulich, irgendwo in der Natur zu liegen und Ohropax zu tragen.

Das Copper Spur steht unglaublich ruhig. Auf unserer letzten Pfalzwanderung fegte eines nachts ein Frühlingssturm mit Regenschauern über den Berg, auf dem wir gezeltet haben. 

Wir hörten den Sturm durch die Bäume pfeifen. Wir dachten, wir hätten das Zelt besonders windgeschützt aufgebaut, weil es sich fast überhaupt nicht bewegt hat. Und dann gingen wir mal nachts aus dem Zelt. Meine Güte, bließ uns da der kalte Frühlingswind ins Gesicht! Aber das Zelt stand da wie angeschraubt. Die gleiche Erfahrung hatten wir auch schon in Lappland gemacht. Absolut ruhig, kein Flattern, kein Krach und Nächte ohne Ohropax. Toll!

Vielleicht liegt es daran, dass das Außenzelt nur über die vier Schnallen mit dem Zeltboden verbunden ist und sich ansonsten frei auf dem Gestänge bewegen kann. Dort wird es nämlich nicht befestigt. Egal, Hauptsache ruhig!

Belüftung und Kondens

Die Belüftungsmöglichkeiten sind vielfältig. Die Apsis ist so groß, dass in die eine Hälfte der Rucksack und die nassen Klamotten passen, während man die andere Seite getrost offen stehen lassen kann. Da das Zelt zwei Apsiden hat und jede nach zwei Seiten geöffnet werden kann, ist das auch im Regen kein Problem. So weit so gut. Das bieten alle Kuppelzelte.

Das Copper Spur hat zusätzlich noch auf den Schmalseiten jeweils einen Belüftungsschlitz oben am Dach. Nur oben am Dach macht sowas auch Sinn. Belüftung auf dem Zeltboden  -wie viele UL-Zelte das haben - ist absolut überflüssig. Dadurch zieht es ganz schön im Zeltinnern und der Kondens bildet sich trotzdem am Dach.

Die Belüftungsschlitze können mit einer Fiberglasstange geöffnet werden und bei waagerechtem Regen auch geschlossen werden. Die Seite des Zeltes, an der sich die "Ansaugstutzen" befinden ist etwas kürzer geschnitten, als die Zeltseiten mit der Apsis. Das bedeutet, das Außenzelt kann hier mit einem Hering und einer Abspannschnur weiter vom Zelt weggezogen werden und durch den Spalt zwischen Innen- und Außenzelt zieht der Wind nach oben ins Zeltdach (weil die unteren zwei Drittel des Innenzeltes aus windabweisendem Material bestehen), wo die im Zelt entstehende Feuchtigkeit (z.B. durch Atmung) wieder auf der anderen Seite aus dem Zelt geblasen wird. Na ja, ist nicht ganz wissenschaftlich korrekt erklärt, aber Ihr versteht hoffentlich, was wir meinen.


Ein Teil der Belüftung auf beiden Seiten: Mithilfe eines Fiberglasstabes, stellt man eine Art Giebel her. Befestigt wird der Stab per Klettverschluss. Die Winkelgröße kann variiert werden.

Wir bauen diese Seite immer so auf, dass sie ungefähr im Wind steht.


Die Schmalseite mit dem "Ansaugstutzen" oben und dem etwas kürzer geschnittenen Außenmaterial, das bei Abspannung mit einem Hering für eine gute Belüftung sorgt.

Durch die viele Lüftungsmöglichkeiten und die clevere Konstruktion der Schmalseiten des Zeltes, kann man Kondensbildung sehr gut verhindern. Kondens bildet sich unserer Erfahrung nach nur, wenn alle Zeltöffnungen verschlossen sind und absolut kein Wind geht. Aber irgend eine der Apsiden kann man immer öffnen, egal wie es regnet. Sind keine Stechmücken in Sicht, lassen wir das Innenzelt teilweise geöffnet (bei starkem Wind reicht das obere Drittel).

Fazit:

Gemäß dem Firmenmotto "Big Agnes- The Mother of Comfort" bietet Big Agnes hier ein nahezu perfektes Zelt. Komfortableres und leichteres ist uns nicht bekannt. Wir freuen uns auf jede ruhige Nacht darin. Und selbst für zwei Personen sind die 1,8 kg doch noch erträglich, oder?

Und, werte Mutter des Komforts, das nächste Mal bist Du ganz lieb und artig und legst kulanterweise dem Zelt gleich den Footprint bei!


1 Kommentar:

  1. Ich kann die Erfahrungen von "Holistic Hiking Agency" nur bestätigen. Wir haben es im Sommer 2016 auf Korsika 3 Wochen im Einsatz, einmal auf dem Südteil des GR20, danach noch einige Tage beim Herumreisen.

    Diese Punkte waren ausschlaggebend für den Kauf des Copper Spur UL3:
    - niedriges Gewicht (mit 12 Heringen und Footprint ziemlich genau 2kg)
    - genug Platz für 2 Personen + 2 Touren-Rucksäcke IM Zelt)
    - 2 Eingänge - superkomfortabel!

    Erfahrungen während der Wanderung: Sehr leicht, trotzdem stabil, sehr windunanfällig (hatten auf einem Campingplatz am Strand einen sehr starken Sturm - kein Problem!). Wir haben zu den serienmäßigen 8 Heringen noch weitere 4 mitgenommen, um alle Abspannmöglichkeiten nutzen zu können - was wir auch immer wieder getan haben. Dann steht das Zelt bombenfest.

    Zum Thema "Sommertauglichkeit": alles kein Problem!

    Korsika im Sommer hat auch Nachts ganz ordentliche Temperaturen (nicht in den Bergen natürlich, da ist es etwas kühler), durch die Zwei Eingänge kann man einen wunderbaren Durchzug herstellen (Nachmittags zum Ausruhen, Überzelt drauf und Einänge voll offen), nachts haben wir immer wieder komplett ohne Überzelt geschlafen, ein Traum! Und wenns nachts doch etwas zu kühl werden sollte: einmal Überzelt drüberwerfen, Clips enrasten, fertig. Dauert ca. 15 Sekunden :-).

    Definitiv KEIN Winterzelt, aber das sagt der Hersteller ja auch selber.

    Ja Footprint ist erstaunlich teuer, aber wie schon beschrieben zum Aufbauen im Regen sehr praktisch (hab das mal trocken durchgeführt, kein Problem. Regen hatten wir im Urlaub nämlich nicht). Und hält den Zeltboden sauber, separat verpackt kann der Footprint aussehen wie er will!

    Auf eins sollte man achten: das Gestänge auf den Poles (die sternförmigen Verteiler) VOLL aufstecken. Haben wir einmal versehentlich nicht gemacht (nur knapp 1cm steckte drauf), beim Spannen riß dort die Zeltstange ein. Ok haben wir mit Klebeband und Reparaturhülse geflickt, hielt dann problemlos, aber muss ja nicht sein. Das Gestänge ist eigentlich sehr stabil, dabei sehr leicht. Aber bei dem Fehler von uns konnte es nur brechen.

    Fazit: TOP Zelt das genau die Kriterien erfüllt, die uns wichtig sind!

    Gruß
    Christian & Claudia

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