Mittwoch, 16. März 2016

Wanderungen:Southern Upland Way/ Schottischer Fernwanderweg (340Km/212 Miles)








Charakeristik

Der SUW verbindet die schottische Atlantikküste mit der Nordseeküste im Osten. Er führt 340 Kilometer entlang der  Grenze zu England. Damit ist er der längste, offizielle schottische Fernwanderweg.
Die Uplands zeichnen sich  durch sanft geschwungene Höhenrücken aus- der höchste Punkt wird auf 712 m ü.d.M. erreicht. Dennoch bewältigt man auf der gesamten Länge 8720 Höhenmeter.
Die Borders sind eine alte Kulturlandschaft; man stösst auf menschliche Zeugnisse aus der Zeit vor den Römern (z.B. Hügelgräber). Auch die Überreste der römischen Besiedlung und die der frühen Mönchsorden, machen diesen Weg sehr interessant.
Noch häufiger stösst man auf moderne Zeugnisse der vielfältigen Ausbeutung/Kultivierung der Landschaft durch Menschen. Das kann den Wandergenuss schon mal beeinträchtigen.
Eine naturbelassene Umgebung sollte man nicht erwarten, wenn man sich auf diesen Weg begibt.

Eine typische Sumpflandschaft auf dem SUW.

Unsere Etappen und was dort geschah:

 1.) Portpatrick- New Luce ( 39 Km)- Gleich am Start, in dem kleinen Dörfchen Portpatrick, lernten wir einen Solowanderer kennen. Wir schlossen uns kurzerhand zusammen und versuchten ins Gespräch zu kommen. Englisch und auch Schottischenglisch sind normalerweise kein Problem. Aber im Falle unseres Begleiters kamen wir ganz schön ins Schwitzen; wir konnten ihn zunächst nicht verstehen. Im Laufe des gemeinsamen Tages hatten sich unsere Ohren an seine Artikulation gewöhnt, und wir erfuhren, dass er Marc hieß und aus Manchester kam. In New Luce gab es keine Übernachtungsmöglichkeit. Also mussten wir mit dem Taxi zurück nach Castle Kennedy fahren. Die Besitzerin unserer dortigen Pension war eine englische Lady mit auserlesenen Manieren und einer gepflegten englischen Aussprache. Als wir beim Abendessen saßen, kam sie zu uns, um zu fragen, wie denn unser Begleiter heiße und woher er komme! Es sei ihr nicht gelungen, die Sprache des jungen Mannes zu verstehen. Wir waren erstaunt, dass selbst Muttersprachler diesen verwaschenen Manchesterdialekt nicht vestehen konnten. So standesbewußt und traditionell die Lady auch wirkte, so war auch ihr Haus: Viktorianisces Zeitalter von oben bis unten. Unser Schlafgemach enthielt ein riesiges Doppelbett mit Plüschhimmel. An den Wänden hingen Ölportraits von Lords und Ladys. Ein Schminktisch aus Mahagoni-Holz mit Dreifaltigkeitsspiegel, gefasst in einen barocken Rahmen stand da und komplettierte das Ganze. Da war nur ein Haken: Das große Badezimmer war mit Plüschteppich ausgelegt und enthielt eine Sammlung duftender Kristallflaschen. Auch die Badewanne war ausladend groß aber ohne Duschkopf und ohne Duschvorhang. Auf so etwas war man einfach noch nicht vorbereitet!




Los geht`s auf einem herrlichen Küstenpfad

2.) Castle Kennedy- Bargrennan (43 Km)-  Den ganzen Tag über hatten wir eine Backofenhitze. Zum guten Schluss gab es eine felsig-sumpfige Überraschungspartie; hier mussten wir unserem Wanderkumpel aus der Sumpfpatsche helfen. Er war bis zu den Hüften in ein Sumpfloch gerutscht. Dass er einen 20 Kilogramm schweren Rucksack trug, machte seine `Befreiung`nicht gerade einfach. Aufgrund seiner Gepäcklast, war er auf dem Sumpfabschnitt, der am Ende einer 43 Km-Tour lag, ziemlich ermüdet und zwar in jeder Hinsicht. Am Abend hatte er noch auf der Wiese vor unserem Hotel sein Zelt aufbauen müssen. Später sagte er, dass er es nicht mehr geschafft habe, die vielen Fliegen zu vertreiben, geschweige denn, alles Notwendige auszupacken.-
Wir hatten alle einen gesegneten Schlaf!

Dieses nette Paar lud uns ein zu Speis und Trank!-Einkehrmöglichkeiten gab es auf dem gesamten Streckenabschnitt nicht.

 3.) Bargrennan- Dalry (39 Km) In Dalry übernachteten wir in einem gemütlichen Pub, in dem sich die Ortsbewohner zum Klönen, Lesen und Schachspielen trafen. Man kam recht schnell ins Gespräch.

Der Pub-das Zentrum der Ortschaft Dalry


 4.) Dalry- Sanquhar (41Km) In Sanquhar kann man die älteste Poststation der Welt bewundern! Es gibt eine Burgruine zu besichtigen. Schließlich gab es hier an der Grenze einiges zu sichern gegen die Engländer und die innerschottischen `Querulanten`. Wer genau gegen wen, wann, warum undsoweiter, angetreten ist, wird hier sehr lebendig in Erinnerung gehalten. Ansonsten sagen sich hier Fuchs und Hase: "Gute Nacht!"




Auf dem Weg nach Shanquhar- hier, in diesem Tal sollen laut unserem Begleiter die persischen Mudjahedin trainiert worden sein.





Die Burgruine von Sanquhar

Auf nach Wanlockhead!

Die Minenlandschaft auf dem Weg nach Wanlockhead.





Der idyllische Teil von Wanlockhead!


 5.) Sanquhar- Wanlockhead (12 Km-eine Erholung!) Wanlockhead ist eine still gelegte Bleimine
 mit kleinen, alten Arbeiterhäuschen. Alles wirkt ein bisschen ärmlich und morbide. Es gibt ein Minenmuseum und ein Bürgerhaus mit Versammlungssaal. Hier feiern die Menschen der Gegend ihre Familienfeste, zugleich ist das Bürgerhaus ein Pub und eine Bar (die Briten sind für Pragmatismus bekannt!). So kam es, dass wir uns am Abend mit unserem Wanderkumpel in diesem einzigen Pub trafen und zugleich Gäste einer Hochzeit waren. Es gab schottische Tanzmusik live und für die ganze Familie. Das Hochzeitspaar stand gerade zusammen singend auf der Bühne, als wir den Versammlungsraum betraten.
Für den männlichen Teil der Hochzeitsgäste gab es Nutten, die schon früh am Abend an der Bar saßen und warteten, bis es einem der Herren zu langweilig werden würde... Ihre Arbeitsplätze hatten die Damen in Campingwagen, die auf dem winzigkleinen öffentlichen Campingplatz oberhalb des Bürgerhauses abgestellt waren.
Recht schnell war man auf uns Fremde aufmerksam geworden und bald hatten sich einige Leutchen um uns herum versammelt um mit uns anzustoßen. Nachdem sich rasch herum gesprochen hatte, wer wir waren, warum wir hier waren, woher wir stammten, und solcherlei Dinge, hatten uns alle etwas zu erzählen- zum Beispiel von der schönsten Zeit ihres Lebens. Drei mal darfst du raten, was das sein kann???!!!!! Na????---Ja, genau:
Der zweite Weltkrieg, den man in Deutschland verbracht und dabei Fräuleins kennengelernt hatte. Vom Bier, das nur 5 Pfennige gekostet habe!-Ich wusste nicht, ob ich vor Mitleid weinen oder lachen sollte.
Es war ein richtig unterhaltsamer Abend. Obwohl uns einer der Hochzeitsgäste bescheinigt hatte, dass wir uns im langweiligsten Ort der Welt befänden. Früher oder später würde man hier anfangen, mit den Marsianern zu sprechen! Dieser verbittert wirkende Zeitgenosse berichtete, dass man diese lumpigen alten Arbeiterhäuschen für 100.000 Pfund beim Landbesitzer kaufen müsse. In  Edinburgh und Glasgow könne man sich das Wohnen nicht leisten. Dennoch müsse man zur Arbeit dorthin pendeln- tagaus, tagein. Und diese Arbeit mache einen kaputt. Ein anderer gab dem Gespräch wieder eine angenehmere Wendung als er auf seine Soldatenzeit zu sprechen kam...

Die Morgennebel auf dem Weg von Wanlockhead nach Moffat
Die Morgennebel verzogen sich erst am Nachmittag!


7.) Wanlockhead- Moffat (31Km) 

 Eine Auf-und Ab -Tour über Weideland im Nebel. Unser Wanderbegleiter aus Manchester klagte über  Knieschmerzen. Ein  solches Gewicht auf dem Rücken, ist vom stärksten Hünen auf Dauer nicht auszuhalten. Er schleppte sich regelrecht nach Moffat.
Moffat ist ein beschauliches Kurstädtchen. Es soll dort schwefelhaltiges Wasser geben und es ist nett herausgeputzt. Ehemals war es als Zentrum der Wollindustrie bekannt, hatte aber seinen Zenith überschritten, was auch hier an einer Art stilvollen Morbidität zu spüren war. Moffat verfügte über ein Restaurant: einen indischen Schnellimbiss. Hier trafen wir uns mit Marc, dem Wanderer aus Manchester, um uns zu verabschieden. Für ihn war der Urlaub beendet, er konnte nur noch humpeln.


8.) Moffat- St. Mary`s Loch (33,5 Km)  Das Ziel, St.Mary`s Loch, ist ein wunderbares Beispiel für die typisch schottische Vermischung von Kulturgeschichte und Natur. Loch ist das gälische Wort für See. Dieser See liegt herrlich am Ende des Yarrow Valley. Hier haben sich in den letzten Jahrhunderten Gesetzlose aller Art hergeflüchtet. Meist hatte es was mit den nicht erfüllten Gesetzen der Engländer zu tun. St. Mary zum Beispiel, ist die Kirchenruine einer Glaubensbewegung, die in England verfolgt worden war.
Eine Legende um den berühmten Zauberer Merlin soll sich hier zugetragen haben. Ausserdem war diese Gegend eine Inspirationsquelle der bekannten schottischen Schriftsteller Walter Scott und James Hogg. Leider waren wir am Abend unserer Ankunft in dem pittoresken Hotel am See so müde, dass die Landschaft nicht mehr richtig gewürdigt werden konnte.


St. Mary`s Loch

9.) St.Mary`s Loch- Traquair- (19 Km) Das winzige Örtchen Traquair wartete auf mit einer jahrhundertealten Kirchenruine, umgeben von einem  geheimnisumwitterten alten Friedhof. Die ganzen Walter- Scott -Romane werden in dieser Landschaft lebendig.




10.) Traquair- Melrose (28 Km)
Melrose ist der kulturgeschichtliche Höhepunkt dieser Wanderung. Das Städtchen liegt an den Ufern des Flusses Tweed. Dieser Fluß war der Transportweg für die Textilien, die in den meisten Orten der Uplands hergestellt wurden. Der Tweed hat auch dem ganz besonders schottischen Wollstoff "Tweed" seinen Namen verliehen. Auch  Melrose war einst ein Zentrum für Stoff- und Leinenweberei.
Melrose Abbey ist ein absolutes Highlight. Diese Ruine stammt aus der Zeit 800 n.Chr. Der dazugehörige botanische Garten präsentiert im Sommer eine himmlische Blütenpracht.
Das Herz des schottischen Königs Robert I., genannt Robert the Bruce, soll in Melrose Abbey begraben sein. Übrigens hat Walter Scott hier seine Heimat.







Die faszinierende Melrose Abbey



Brücke über den Tweed



11.) Melrose- Lauder (16Km)
Geschichtsträchtig bleibt es auf dieser Strecke : Auf einer Anhöhe liegt das römische Kastell Trimontium. Auf den Eildon Hills findet sich eine eisenzeitliche Hügelfestung. Spannend sind auch die Menhire, auf die man immer wieder trifft.
In Lauder trafen wir auf eine sehr sachlich-bescheidene Unterkunft. Es gab Tiefkühlmenüs an Softdrinks. Man wusste wohl nicht so recht, ob man die Unterkunft schliessen sollte, oder trotz geringer Besucherzahlen, lieber einfach weiterlaufen lassen sollte.


 

12.) Lauder- Longformacus (25 Km)
Ein Tag, der zum großen Teil über Asphalt führte. Das war ganz schön zermürbend und irgendwann begann mein Knöchel zu schmerzen. Ungefähr 5 Kilometer vor dem Ziel ließen wir uns von unserem B&B-Gastgeber abholen.

13. Longformacus- Cocksburnspath (29 Km)
Auch diese 29 Km führten überwiegend auf Asphalt zum Ziel. Unterwegs erlebten wir mit, wie man sich auf die Fasanen-Jagd im Herbst vorbereitet: Riesige Moorflächen waren gerade frisch abgebrannt worden. Das war nicht gerade ein aufmunternder Anblick. Im Herbst soll dann die Heide umso besser wachsen- die Moorhühner kommen in großen Mengen, und lassen sich umso leichter abknallen. Angesichts der tristen Gegend und der Asphaltlauferei haben wir uns ein Taxi gerufen, um früher in Cockburnspath zu sein. Hier konnten wir noch einen wunderschönen Spaziergang an der Nordseeküste unternehmen.









Wegebeschaffenheit

Das Terrain besteht überwiegend aus breiten Waldwegen in Forstplantagen und Landstraßen, was dem Ganzen so ziemlich den Reiz nimmt-bedenkt man die Länge! Ein zweites Mal würde ich den SUW nicht wandern! Einige wenige, sehr lange Tagespassagen führen über sumpige Gebiete, die nicht konsequent markiert sind. Diese sollte man nur mit sehr guten Kompass/ Kartenlese-Kenntnissen bewältigen. Ausserdem benötigt man bei sumpfiger Bodenbeschaffenheit eine sehr gute Kondition.  Diese Wegabschnitte wurden von einigen der Wanderer, die die Strecke zufällig zeitgleich mit uns gestartet hatten, einfach weggelassen.


Zelt oder B&B?

Wir haben den SUW mit Tagesrucksack bewältigt und in B&Bs übernachtet. Da die Übernachtungsmöglichkeiten in dieser dünn besiedelten Gegend spärlich sind, mussten wir häufiger Tagesetappen von 30Km und mehr zurücklegen. Ich habe das nicht bedauert, da die Landschaft so reizlos ist, dass ich lieber weniger als mehr Tage darin gewandert bin. Die Hotels, B&Bs und Pubs, in denen wir übernachteten, haben selten touristische Gäste gesehen. Das war kein Nachteil für das Ambiente, das immer etwas Uriges hatte. Kontakt mit Einheimischen war fast immer an der Tagesordnung. An das Kulinarische sollte man keine Ansprüche stellen. Wenn der Fraß nicht aus der Mikrowelle war, so konnte man schon froh sein.
Die Gegend ist landwirtschaftlich stark erschlossen, sodass es wenig geeignete Stellen für Zelt oder Biwak gibt. Abgesehen von landwirtschaftlichen Nutzflächen, quadratisch angelegten Forstplantagen und Weideland (Vorsicht: Bullen!), gibt es viele Anhöhen  mit Windradanlagen. Eine Art natürlichen Waldes findet man nicht.



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